September, 10, 2023
Schwangerschaft und Auge
Eines der schönsten und beeindruckendsten Ereignisse im Leben einer Frau ist die Schwangerschaft. Neben den emotionalen Veränderungen wird das Allgemeinbefinden stark von den körperlichen Begleiterscheinungen, die auch die Augen betreffen können, beeinflusst.
Das Auge zählt zu den am besten durchblutesten Organe des gesamten Körpers. Seine Blutversorgung, die über eine eigene Arterie erfolgt, ist eng an die Blutversorgung des Gehirns gebunden. Des Weiteren ist das Auge überdurchschnittlich stark an den Hirnnervenpaaren beteiligt. Insgesamt sechs von den zwölf Hirnnervenpaaren dienen der Innervation der Augen. Diese und viele andere anatomische Details, wie die enorme Stoffwechselrate und die hohe Sinneszelldichte, werden durch die physiologischen, schwangerschaftsbedingten Veränderungen beeinflusst.
Harmlose Veränderungen am Auge und leichte Sehstörungen kommen in der Schwangerschaft häufig vor. Nur eine geringe Anzahl werdender Mütter, etwa 15%, sind davon stärker betroffen. Oft genug sind die meist gefahrlosen Veränderungen jedoch der Grund zur Besorgnis. Häufig gestellte Fragen von Frauen mit bestehenden Augenerkrankungen, beziehen sich auf die Auswirkung ihrer Augensituation, auf die Anwendung von Medikamenten zu therapeutischen und diagnostischen Zwecken oder den Einfluss auf das ungeborene Kind und den Geburtsvorgang.
Fast alle werdenden Mütter haben leichte Veränderungen der Netzhautgefäße. Stärker sind diese Merkmale nur bei Präeklampsie, Eklampsie und arterieller Hypertonie zu beobachten. Erfahrungsgemäß sind die Tränenfilmzusammensetzung und die möglichen Glasstärkenänderungen erste Anzeichen für die schwangerschaftsbedingten Veränderungen im gesamten Körper.
Bild 1: Mit Fluoreszein angefärbte, trockene Stellen am Auge
Positive oder gutartige Veränderungen
Physiologische und somit gutartige Augenveränderung können vor und auch nach der Schwangerschaft auftreten. Dabei kann jede Struktur am und im Auge betroffen sein.
Pigmentierung
Bei vielen Frauen kommt es zu einer reversiblen Zunahme der Hautpigmentierung auf dem Nasenrücken und den Augenlidern. Diese sind von der genetischen Veranlagung, dem Hauttyp und der Intensität der Sonneneinstrahlung abhängig. In seltenen Fällen kann mit dem Hornhautmikroskop eine Kruckenberg-Spindel beobachtet werden. Die Pigmentierung des Hornhautepithels bildet sich nach der Geburt wieder zurück und hat dadurch keinen pathologischen Charakter.
Intraokularer Druck
Einen positiven Einfluss der Hormonveränderungen ist bei den Messwerten für den intraokularen Druck zu beobachten. Durch den vermehrten Einfluss von Progesteron und anderen Hormonen können die Werte leicht abnehmen. Ursächlich ist eine Reduzierung des episkleral venösen Druckes und einen dadurch verbesserten Kammerwasserabfluss. Andere schwangerschaftsbedingte Veränderungen am Auge sind für die Betroffenen wesentlich belastender. Hier sind in erster Linie der reduzierte Tränenfilm, die Zunahme der Hornhautdicke und der Wassereinstrom in die Augenlinse zu nennen. Die Frau kann eventuell Ihre Kontaktlinse nicht mehr vertragen, erleidet Sehstörungen oder Schwindel. Glasstärkenschwankungenvon -0,75 Dioptrien sind dabei keine Seltenheit. Diese Veränderungen sind bis sechs Monate nach der Geburt zu beobachten.
Hyposphagma
Ein eindrucksvolles Ereignis ist eine spontan auftretende Bindehauteinblutung (Hyposphagma). Diese kann während der Schwangerschaft oder nach dem Geburtsvorgang auftreten und ist ebenfalls als harmlos einzustufen. Sie resorbiert sich nach zwei bis drei Wochen.
Bild 2: Hornhautdickenzunahmewährend der Schwangerschaft
Kritische Veränderungen
Im Gegensatz dazu ist der Schwindel kritisch einzuschätzen. Er kann zahlreiche Ursachen haben. Ein bekanntes Phänomen ist die Vena-Cava-Kompression. In der Spätschwangerschaft kann der Uterus in Rückenlage auf die Vena Cava inferior pressen, der Blutrückfluss zum Herzen, die Herzvorfüllung und das Herzzeitvolumen sinken dadurch. Es droht Schwindel bis zur Ohnmacht, Blässe und übermäßiges Schwitzen. Gleichzeitig wird das entstehende Kind nur unzureichend mit Sauerstoff versorgt. Legt sich die Schwangere bei Symptomen auf die Seite, bilden sich die Beschwerden sofort zurück und das Kind nimmt keinen Schaden.
Präeklampsie und Eklampsie
Systemische Augenveränderungen können bei Präeklampsie und Eklampsie auftreten. Diese progressiven und schwer vorhersehbaren Schwangerschaftskomplikationen sind durch einen erhöhten Blutdruck, Proteinurie, generalisierte Ödeme, bei Eklampsie zusätzlich durch einen Grand-mahl-Anfall oder Koma gekennzeichnet. Bei der Präeklampsie handelt es sich um eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie ohne andere Ursache. Sie kann ab der zweiten Schwangerschaftswoche auftreten. Bis zu 25% bei der Präeklampsie und in 30-50% bei der Eklampsie treten folgende Augensymptome auf:
Verschwommen Sehen, Flimmerskotome, Doppelbilder, Fotopsien, kortikale Blindheit (selten).
Durch die Fundusbeurteilung findet man in 40-100%, bei schwerer Präeklampsie fokale oder generalisierte Angiospasmen, Kapilarverschlußgebiete, eine gestörte Blut-Retina-Schranke und in 1-10% eine seröse Amotio retinae. Die Prognose für die Netzhautablösung ist gut, es kommt nach der Entbindung zur spontanen Resorption und zur Normalisierung der Sehleistung. Bei vorliegenden Symptomen die zur Diagnose Präeklampsie führen, ist eine medizinische Überwachung dringend erforderlich.
Diabetes mellitus
Augenveränderungen können auch bei Allgemeinerkrankungen, die schon vor dem Konzeptionszeitpunkt bestanden, stattfinden. Eine Gravidität beeinflusst entzündliche Erkrankungen und den Verlauf einer diabetischen Retinopathie.
Bei Diabetes mellitus besteht ein absoluter oder relativer Insulinmangel. Die Folgen sind vor allem Störungen im Kohlehydratstoffwechsel, aber auch im Fett- und Eiweißstoffwechsel. Man schätzt die Zahl der Erkrankungen heute auf 3-5% der Bevölkerung. Dabei ist die Anzahl der unentdeckten Diabetiker noch nicht mit berücksichtigt. Mögliche Augenveränderungen bei Diabetes mellitus können sein:
Lider: Xanthelasmen, Ptosis
Bindehaut: Mikroaneurysmen,Weitung der Venen
Hornhaut: Wundheilungsstörungen, verminderte Sensibilität, rezidivierende Erosio
Iris: Rubeosisiritis, Neovaskularisationsglaukom
Linse: Refraktionsschwankungen, Katarakt
Ziliarkörper: Ausfall der Nahakkommodation
Netzhaut: diabetische Retinopathie, Netzhautablösung
Glaskörper: Glaskörperblutungen
Glaukom: Neovaskularisationsglaukom
Kennzeichen einer Diabetischen Retinopathie sind pathologische Veränderungen der kleineren Blutgefäße (diabetischer Mikroangiopathie) und der Nerven (diabetische Neuropathie). Zu Beginn bleibt die Erkrankung meist völlig unbemerkt. Weder Sehstörungen noch andere Beschwerden treten auf. Typischerweise bemerken Diabetiker die Netzhautschädigung erst spät. Dann kann es sein, dass man nur noch verschwommen und unscharf sieht. Kommt es zu Einblutungen in den Glaskörper des Auges, können Betroffene schwarze Punkte im Gesichtsfeld wahrnehmen (mouches volantes). Wenn sich die Netzhaut plötzlich von ihrer Unterlage ablöst, kann das zu Lichtblitzen und Rußregen führen. Dieser Rußregen senkt oder hebt sich wie ein „Vorhang“. Ist der Teil der sensorischen Netzhaut betroffen, auf dem sich die Makula befindet, ist dies ein Notfall am Auge! Die Netzhautablösung muss sofort operativ behandelt werden, sonst droht die Erblindung. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durch einen Ophthalmologen oder Optometristen sind wichtige begleitende Maßnahmen.
Häufig wird die Verdachtsdiagnose durch Veränderungen am Auge festgestellt. Liegt eine familiäre Belastung vor, ist die Wahrscheinlichkeit an Diabetes mellitus zu erkranken erhöht. Je ausgeprägter das Stadium der diabetischen Retinopathie ist, umso häufiger kommt es während der Schwangerschaft zu einer Verschlechterung der Retinopathie. Empfehlungen für Diabetikerinnen:
– möglichst frühe Schwangerschaft, wenn noch keine oder milde Retinopathie vorhanden ist
– optimale Blutzuckereinstellung während der gesamten Schwangerschaft
– ophthalmologische Basisuntersuchung zu Beginn der Schwangerschaft, Kontrolle pro Trimester bei schwerer Retinopathie jeden Monat
– frühzeitige Koagulation bei proliferativer Retinopathie
Bild 3: Fortgeschrittene diabetische Retinopathie
Toxoplasmose
Eine weitere, gefürchtete Situation kann bei der Toxoplasmose eintreten. Diese Infektion ist eine durch den Einzeller Toxoplasma gondii übertragene Erkrankung, die in der Regel einen harmlosen Verlauf nimmt. Häufig läuft die Krankheit auch ohne erkennbare klinische Symptome ab. Toxoplasma kommt in Geweben zahlreicher warmblütiger Tiere vor, wobei als wichtigster Überträger für den Menschen die Katze gilt.
Eine pränatale Toxoplasmose liegt vor, wenn eine Schwangere erstmalig während der Schwangerschaft an der Toxoplasmose erkrankt. Infektionen in der Frühphase der Schwangerschaft nehmen einendeutlich schwereren Verlauf als in der Spätphase der Schwangerschaft. Man geht von ungefähr drei Fällen einer pränatalen Toxoplasmose auf 1.000 Lebendgeburten aus. Zu den Komplikationen, die hier auftreten können, zählen neben der Totgeburt auch ein Wasserkopf (Hydrozephalus), Verkalkungen im Gehirn und Schädigungen der Augen. Wird ein Kind mit pränataler Toxoplasmose klinisch gesund geboren, so können auch nach Jahren noch Augenschäden bis hin zur Erblindung auftreten.
Bild 4: Toxoplasmose
Behandlungsoptionen
Letzte statistische Untersuchungen zeigen, dass 35% der Geburten per Kaiserschnitt statt gefunden haben. Davon waren nur 2% durch eine bestehende Augenerkrankung der Mutter indiziert. Die häufigsten Ursachen lagen in einer hohen Myopie, Glaukom und nach einer Netzhautablösung. Die schulmedizinischen Behandlungsoptionen liegen in der Gabe von Antiglaukommitteln, blutdrucksenkenden Medikamenten, Aufklärung über mögliche Verschlechterungssymptome und engmaschigen Verlaufskontrollen. Durch den Heilpraktiker sind immer voran genannte Notfälle am Auge auszuschließen! Sollte dennoch ein Glaukomanfall oder eine Netzablösung eintreten ist dieser Notfall sofort durch einen Ophthalmologen operativ zu versorgen! Der Heilpraktiker kann durch die in der Tabelle 1 aufgezählten Naturheilverfahren begleitent tätig sein.
Abschließend lässt sich für keine Augenerkrankung eine Verschlechterung durch eine natürliche Geburt feststellen.
Liegen Augensymptome vor, stellt sich noch die Frage: “Welche Augenmedikamente können während der Schwangerschaft bedenkenlos eingesetzt werden?“ Zu unterscheiden sind hierbei die nicht teratogen oder die nicht embryotoxische Wirkungen hervorrufen, von den teratogen oder embryotoxisch wirkenden Substanzen. Nicht teratogene Wirkungen sind von anästhesierenden und Pupillen erweiternden Augentropfen, Betablocker AT (Konzentriert in Muttermilch), Cortison AT und dem Biofarbstoff Fluoreszein bekannt! Embryotoxisch wirken Korboanhydrasehemmer, Epinephrin, Tetracycline, Antivirale Substanzen und Vitamin A!
Begleitende Maßnahmen durch Naturheilverfahren
Die naturheilkundlichen Therapieverfahren bieten eine Fülle von begleitenden Maßnahmen. Zu beachten ist bei der Anwendung immer auch die Wirkung auf den Embryo. Aus diesem Grund sollten nur unbedenkliche Heilpflanzen und sichere Verfahren angewendet werden. Zu bedenken ist auch, dass die Arzneimittelwirkung eventuell langsamer, als außerhalb der Schwangerschaft, eintreten kann. Die folgende Tabelle zeigt bewährte naturheilkundliche Maßnahmen bei Sehstörungen und Augenerkrankungen (Tabelle 1).
Physikalische Therapie: feucht-warme Leberwickel, kalte Wassergüsse an den Waden
Schüßler-Salze: Jso Bikomplex 22, Calciumfluoratum, Ferrum phosphoricum, Silicea
Homöopathie: Arsenicum album, Ferrum metallicum, Calciumcarbonicum
Augen-Akupunktur: Friday eye haelthcare needle
Augenbäder: isotonische Kochsalzlösung
Augenübungen: Entspannungsübungen der Augenmuskel, Palmieren, Augen-Rollen
Licht-Therapie: blau, lichtgrün+gelb
Phytotherapie: Kompressen mit Augentrost(Euphrasia)
Alternativen: Traumeel-Salbe auf die geschlossenen Lider, Autogenes Training, frisch gepresste Frucht- und Gemüsesäfte, Sonnenbrille tragen
Literatur
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